VON
BETTINA KÜSTER

Hunde mit Deprivation können (fast) alles lernen.

Es kommt dabei auf den Halter an, der ist der Schlüssel zum harmonischen Zusammenleben. Emma ist bald sieben Jahre alt und sie kam mit ca. 4 Monaten zu uns, als ihre Sozialisationsphase schon fast abgeschlossen war. Sie hatte nichts kennen gelernt, da sie im Straßengraben mit ihrer Mutter aufwuchs, bis sie gefunden wurde. Sie, ihre Mutter und die Geschwister haben/hatten alle die gleichen Verhaltensweisen.

Welpen lernen natürlich von der Mutter durch Nachahmungslernen und auch durch Stimmungsübertragung. Zum anderen geht das leider sogar noch weiter: bei Stress im letzten Drittel der Trächtigkeit kann das Plazenta-gängige Stresshormon Cortisol in die Welpen gelangen und dort Veränderungen im Stresszentrum des Gehirns bewirken. Das Stresszentrum wächst sozusagen mit seinen Aufgaben, das Cortisol sorgt in diesem Stresszentrum für eine lebenslängliche bessere Ansprechbarkeit des Stresszentrums, das widerum mit der Nebenniere und dem Nebennierenmark in Verbindung steht und auch dort für eine bessere Ansprechbarkeit sorgt, d.h. egal ob Adrenalin/Noradrenalin oder Cortisol werden schneller und mehr gebildet.

Emma vertraut mir. Dafür musste ich sehr viel Geduld aufbringen und ihr immer und immer wieder beweisen, dass ich es wert bin, dass sie etwas für mich apportiert oder dass sie mit mir zusammen arbeitet. Ich durchlaufe sozusagen einen ständigen Tauglichkeitsprozeß als Mensch, damit Emma Sicherheit hat, mit mir zu arbeiten. Wenn ich mit ihr arbeite überwiegt das Gefühl, sie täte mir einen Gefallen. Auf jeden Fall ist sie mit Freude und Spaß dabei. Natürlich kommt da auch ganz häufig der Sturkopf eines Herdenschutzhundes, der in ihr steckt, durch.

Sie kann Schalter betätigen, Gegenstände apportieren. Sie praktiziert Verlorenensuche, hat in der Scient-Hurdle-Racing-Gruppe mitgewirkt, ist Profi in der Nasenarbeit, räumt alle möglichen Sachen in eine Box, kann viele Gerüche unterscheiden. Ihr Aufgabenfeld ist so umfangreich. Wäre sie ein Mensch, würde man sie als Multitalent oder hochbegabt bezeichnen. Ich weiß, ich kann ihr (fast) alles beibringen. Die Kunst besteht darin, den Hund zu erreichen und nicht mit bloßer Konditioniererei alles erreichen zu wollen, was dem Menschen gefällt, sondern auch dem Hund.

Verpasste Zeit kann fast wieder aufgeholt werden, woran die intelligente Beschäftigung und viele Sozialkontakte mit Menschen und Hunden einen sehr wesentlichen Anteil hat. Emma hat durch Vielfältigkeit, die sie gelernt hat, ein gutes Selbstbewusstsein erlangt und ich weiß, dass ich ihr auch mit sieben Jahren noch tolle Dinge beibringen kann, die ihr Spaß machen.

Bettina Küster
Hundepsychologin nTR
Trainerin für Diabetikerwarnhunde

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