„Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!“, fiel mir sofort bei diesem Fall ein. Aber ehrlich gesagt hat mir dieses Sprichtwort noch nie gefallen. Ich würde es umschreiben in „Warum Kontrolle gut ist, aber Vertrauen viel viel besser ist“. Im besagten Fall gibt es jetzt mehr Vertrauen als Kontrolle.

Es war einmal ein Schulhund, der in höchsten Tönen von seiner Halterin gelobt wurde. Der Hund sei sehr gut erzogen und lieb und hat eine total tolle Schulhundausbildung genossen. Der Hund kommt fast jeden Tag mit in die Schule und wird mit Signalen rumdirigiert. Wenn Kinder in die Sprechstunde kommen, darf er nur dann aufstehen und zu dem Kind gehen, wenn er das entsprechende Signal dafür erhält. Der Hund muss sich auch von mehreren Kindern gleichzeitig streicheln lassen. Er ist also im Dauereinsatz und kann seinem natürlichen Ruhe- und Schlafbedürfnis nicht nachtkommen. Natürlich gibt es Hunde, die das alles über sich ergehen lassen und es gibt immer wieder Halter, die dann behaupten, dass es dem Hund gefallen würde.

Die meisten sogenannten Schulhunde sind von Welpen an daran gewöhnt worden und kennen es nicht anders, da sie mit dieser Art der Kontakte aufgewachsen sind. Sie werden von Anfang an daran gewöhnt, auf glatten Böden zu laufen, sich bei großen Menschen- und Kindermengen nicht zu fürchten, sich anfassen und streicheln zu lassen, usw. Das alles bedarf einer herausfordernden Arbeit für die Mensch-Hund-Teams. Die fertig ausgebildeten Schulhunde können dann in Schulen eingesetzt werden.

Die Tabelle zeigt die verschiedensten Formen der Tiergestützten Arbeit mit Hunden, die Voraussetzungen an die Hundhalter und die „Arbeitszeiten“ eines solchen Hundes.

Tiergestützte Förderung mit Hund – Besuchshund

  • Pflegeheim
  • Altenheim
  • Krankenhaus
  • Kindergärten
  • Schulen

Hundeführer benötigt keine therapeutische, pädagogische, medizinische oder soziale Ausbildung.

Hundgestützte Therapie

  • Hundgestützte Psychodiagnostik
  • Hundeführer muss einen therapeutischen, pädagogischen, medizinischen oder sozialen Beruf haben
  • Therapiehund ist ein Medium, um die Erkrankung zu erleichtern
  • Oft dann, wenn alle anderen Therapien ohne Tier/Hund gescheitert sind
  • Arbeitszeit des Hundes in Einzelsitzungen ist normalerweise auf max. 45 Minuten begrenzt.

Tiergestützte Förderung mit Hund – Servicehund/Assistenzhund

Unterstützen, begleiten ihren Menschen

  • Blindenführhund
  • Behindertenbegleithund
  • Epilepsiehund
  • Diabetikerwarnhund

Die Ausbildung des Hundes ist sehr kostenintensiv, der Hund arbeitet sein Leben lang.

Der Hund der Klientin machte insofern „Probleme“, so wie es die Klientin ausdrückte, als dass er immer das Weite suchte, sobald er frei lief, ohne Leine. Er lief immer weiter weg von ihr, auch der Rückruf funktionierte nicht. Der Hund schnüffelte am Boden und lief aufgeregt hin und her. Ich fand heraus, dass die Klientin auch hier, als der Hund gerade von der Leine war, wieder anfing, ihn rumzukommandierenden. Daraufhin vergrößerte er seinen Abstand zu seiner Halterin mehr und mehr. Die Halterin rief dem Hund laut hinterher, worauf der Hund nur sehr widerwillig zurück kam. Gelernt hatte der Hund jetzt, wenn meine Halterin richtig laut ruft und schlecht drauf ist, muss ich zurück zu ihr an die Leine. Das hatte zur Folge, dass sich der Hund im Freilauf jedesmal weiter von ihr entfernte, auch um seinen natürlichen Bedürfnissen wie Schnüffeln nachzugehen und damit es ihm selber besser geht. Auch zuhause wurde der Hund oft rumkommandiert und konnte sich nicht frei entfalten, da die Halterin ihn in einer ängstlichen Abhängigkeit hielt und ihm mißtraute.

Ganz offensichtlich fordert der Hund seine Freiheit nach Dienstschluss ein und wollte nicht mehr den Weisungen der Halterin folgen, sondern sein Hundeleben im Feierabend genießen.

Jetzt musste ich nur noch der Halterin klarmachen, dass der Hund nur tut, was er tun muss, damit es ihm besser geht und er sich wohl fühlt. Denn sie sei Problem und nicht ihr Hund. Er entfernt sich so weit wie möglich von ihr, um seinen biologischen und sozialen Bedürfnissen nachgehen zu können und möglichst viel Abstand zu ihr zu bekommen, um nicht wieder irgendein Signal oder Kommando zu erhalten. Auch die Tatsache, dass die Halterin immer saurer wurde beim nicht geglücktem Rückruf, ließ den Hund erst recht sehr widerwillig zurück kommen und somit blieb er weiterhin auf Abstand.

Ich riet ihr den Hund zuhause und im Freizeitbereich nicht mehr mit Signalen und Kommandos zu bombardieren, nur noch, wenn es wirklich nötig ist. Sie sollte ein Schausignal einführen und ihn also jedesmal loben wenn der Hund sie anguckt, damit die Beiden eine schöne Verbindung sowohl zuhause als auch beim Spaziergang aufbauen können. Die Schau-Übungen sollten noch generalisiert werden. Im Freilauf sollte sie sich weitgehends zurückhalten und den Hund nur von der Leine lassen, wenn sie selber entspannt ist und sich darauf einlassen kann, jetzt mit dem Hund zu trainieren, ohne ihn rumzukommandieren und zurück zu rufen. Das war eine große Herausforderung für die Halterin, sich zurück zu halten und nur zu loben, bzw. ein Signal zu geben, wenn ihr Hund sie anguckt. Sie sollte also den Hund im Freilauf „nur“ überschwänglich loben, wenn er sie anguckt und sich richtig darüber freuen und den Hund dafür belohnen. Jetzt musste die Halterin ihrem Hund noch vermitteln, dass es absolut toll ist und sich lohnt, zu ihr zu kommen. Nachdem die Halterin das Schausignal erfolgreich eingeführt hatte und der Hund „freudestrahlend“ zu ihr kam um die Belohnung abzuholen, konnte nun auch der Rückruf neu aufgebaut und positiv belegt werden. Die Halterin musste einfach nur ihr Verhalten ändern und ihrem Hund vertrauen. Denn der Hund hat verhaltenbiologisch gesehen alles richtig gemacht; er wollte nur seinen natürlichen Bedürfnissen, wie z. B. Schnüffeln und dem Freilauf nachgehen.

Das volle Potential eines Hundes kann nur ausgeschöpft werden, wenn ein positives Vertrauensverhältnis besteht, d.h. dass sich beide gegenseitig vertrauen können. Hunde sind wahre Anpassungskünstler und höchst kooperationsbereit, einem auf gegenseitig aufgebauten Vertrauensverhältnis steht von Hundeseite nichts im Weg.