Jeder von uns kennt das Bild: Ein Hund wird von seinem Besitzer am Nackenfell gepackt und geschüttelt. In einigen Ratgebern über Hunde wird dies nicht nur als Strafe, sondern als eine Erziehungsmaßnahme vorgeschlagen. Was hat sich im Laufe der letzten 35 Jahre in der Hundeerziehung geändert?
Um das zu beantworten, werden wir eine kurze Reise durch die Fachliteratur der letzten 35 Jahre machen. Hierbei wird der Wandel in der Expertenmeinung sehr deutlich, denn bis wir da angekommen sind, wo wir uns heute befinden, hat der Hund ein gewisses Martyrium durchlaufen.
Von Nackenschütteln bis Leinenrucken
Dr. Ulrich Kober (Fachtierarzt und kynologischer Mitarbeiter der Zeitschrift „Wild und Hund“) rät in seinem Buch von 1981 „Pareys Hundebuch, Leitfaden für zeitgemässes Hundeverhalten“, den Hund bei der Verunreinigung des Zimmers am Nackenfell zu ziehen und mehrfach energisch „Pfui“ zu rufen. Das Hineinstubsen in sein „Geschäft“ mit der Nase sei eine sinnlose Strafmaßnahme.
Das Wissen, dass der Hund durch das Packen und Schütteln des Nackenfells Todeängste bekommt und eine Mutter ihre Welpen nie im Nacken packen würde, um sie zu strafen, sondern nur um sie von A nach B zu transportieren, gab es damals noch nicht. An anderer Stelle gibt Kober eine Anleitung zum Spiel mit Kindern: “Ruhig einmal die Hände belecken lassen, da der Neuankömmling Duft und Ausdünstung der als „Meutegenossen“ angesehenen Kinder kennenlernen will.“ Dieses Zitat finde ich bis auf die Tatsache, die Kinder als Meutegenossen zu bezeichnen, erst einmal für die damaligen Verhältnisse in Ordnung. „Nie darf der kleine Kerl Angst vor uns haben. Lob, Abliebeln und Hörzeichen ‚Brav, mein Hund’, ggf. auch Verabreichen eines Lieblingsbissens, stehen in den ersten Wochen immer im Vordergrund. Niemals wird geschlagen.“ „Falls notwendig, kann bei verbotenem Verhalten der ‚Vaterrüde’ nachgeahmt werden. Statt Nackenbiss wird der Welpe am Nackenfell ergriffen und kurz geschüttelt; im Bedarfsfall kann er dabei auch hochgehoben werden. Statt des‚über die Schnauze-Beißens’ des Rüden kann man ihn auch am Nackenfell festhalten, während die andere Hand den Fang von oben her fest umfasst. Diese Strafreize müssen immer von einem energischen Hörzeichen „Pfui“ begleitet werden.“ Hier wird ersichtlich, dass für Kober das Ziehen am Nackenfell völlig normal ist bzw. eine Erziehungsmaßnahme für ihn zu sein scheint. Das Hineinstubsen mit der Nase hingegen betrachtet er als eine Barbarei.
Im Kapitel Leinenführigkeit schlägt Kober brachiale Methoden vor. Man solle eine lange Schnur am Halsband befestigen oder eine praktische Abroll-Kordelleine mit Stopp-Hebel (1981 gab es offensichtlich noch keine Flexi-Leinen bzw. noch nicht den Begriff).
„Der junge Hund soll im Spiel wild umherspringen und an der Leine zerren, bis die Stoppwirkung eintritt. Hat er sich aber einmal überschlagen bzw. merkt er deutlich das Unangenehme beim Haltruck, lernt er sehr bald, dass es viel besser ist, den Haltruf bzw. Pfiff zu befolgen, den man vorher eingeübt hat.“
In diesem Buch wird – so wie es Kober ausdrückt – vom Meuteführer und die untergeordneten Meutekumpane (damit sind die Familienmitglieder gemeint) gesprochen.
Schlagen des Hundes ist sinnlos, aber Strafen ist wichtig
In dem Buch „Unsere Hunde“ aus dem Jahr 1984 von Sybille von Lichem und Dr. Heinz von Lichem findet man Bilder mit Hunden, die ein Stachel- oder Würgehalsband tragen und Aussagen wie: „Jadghunde gehören nur in die Hand des Weidmannes.“ Im Kapitel zur Erziehung des Hundes erklären die Autoren, wie der Hund mittels immer derselben verwendeten Befehle, die sogenannten Hörzeichen, Fuß, Sitz, Platz, Liegen, Zurück, an die Leine, erzogen werden soll. Man soll diese akustischen Signale sowohl leise als auch laut geben und sie mit Handbewegungen (heute: Sichtzeichen) untermalen. Auch wird auf den Einsatz von Hundepfeifen verwiesen und dass diese dann immer verwendet werden sollten. Ein ganz wichtiger und, wie ich finde, erfreulicher Erziehungsvorschlag ist: „Schlagen des Hundes ist absolut sinnlos. Wir achten von Anfang an darauf, dass das, was der Hund tun darf (oder soll) mit Lob und Wohltat (Hundekeks) verbunden ist.“
Aber leider haben beide Autoren auch eine Menge über Strafen zu berichten:
„Umgekehrt muss der Hund erleben, dass er gerügt und bestraft wird, wenn er falsch handelt. Die Strafe darf nicht nach der Untat, sondern während der Untat erfolgen. Hervorragend geeignet ist das Packen am Nackenfell, das Nachwerfen der Leine oder eines kleinen Steines; ausgezeichnet ist das bewusste Ignorieren, wenn unser Gefährte disziplinarisch versagt hat. Lob mit zärtlichen Worten, durch Streicheln, durch einen Leckerbissen baut jeden Hund, der sich richtig verhält, seelisch und erzieherisch nur auf. Unsere Hände dürfen nur loben, niemals schlagen. Zur Bestrafung eignen sich ein leichter Stock, eine zusammengerollte Zeitung usw. Doch der zu bestrafende Hund darf damit nicht wirklich geschlagen werden, sondern bekommt sinnbildlich einen etwas kräftigeren Klaps (einen und nicht mehr!).“
Es ist schon überraschend, wie viel der Autor über Strafe und wie wenig über das Loben des Hundes schreibt. Hier wird nicht mehr unterschieden, sondern hier wird das Packen am Nackenfell als Strafe deklariert. Die Ambivalenz des Zitates spricht für die damalige Zeit. Es werden alle möglichen Arten von Strafen aufgezählt und im gleichen Atemzug soll der Hund mit Lob und zärtlichen Worten, durch Streicheln, durch ein Leckerbissen seelisch und erzieherisch wieder aufgebaut werden. Den Autoren war bewusst, dass er mit seinen Strafmaßnahmen den Hund „fertig“ machen konnte.
Dominanztheorie: Die Weltherrschaft unserer Haushunde
Die damalige Unwissenheit über Verhalten und Erziehung von Hunden zeichnet sich weiter fort – auf Kosten des Hundes – und zwar über die Dominanztheorie, die mittlerweile über 100 Jahre alt ist. Die Idee der Dominanz hat ein Deutscher in die Welt gesetzt, Oberst Konrad Most, ein preußischer Polizeibeamter. Er gründete damals seine Theorie auf wissenschaftliche Belege. Er und andere Wissenschaftler beobachteten Wolfrudel und glaubten zu erkennen, dass jedes Rudel von einem Wolf dominiert wird, der die anderen Wölfe despotisch streng durch Furcht beherrscht. Diese Theorien wurden nur aufgrund der Forschungsergebnisse von beobachteten Gehegewölfen (Wölfe in Gefangenschaft) hergestellt. Gehegewölfe verhalten sich nicht natürlich, da sie eine zusammengewürfelte Gruppe von nicht verwandten Wölfen sind.
Frei lebende Wölfe bestehen aus einem Familienverband bzw. sind eine Familie und die „Herrscher“ sind die Eltern. In diesem Familienverband gibt es keine oder wenig Aggressionen. In einem frei lebenden Rudel gibt es keine Dominanzgesten um Sexualpartner, da die Eltern das Rudel „beherrschen“. Die Kinder wandern ab, um sich eigene Sexualpartner zu suchen und würden niemals ihre Eltern umwerben. Damals gab es fast keine Verhaltensbeobachtungen an frei lebenden Wölfen, sondern nur an Gehegewölfen, die allesamt ein gespanntes Verhältnis zueinander hatten. Dabei kam es dann häufig zu zeit- und situationsbedingten Dominanzgesten, meist um einen Sexualpartner. Daraus schlossen die Forscher, dass ein Wolf, ergo der Hund (Rüde), immer Chef sein will.
Diese Vorstellung hat die moderne Verhaltensforschung in den letzten zehn Jahren korrigiert. Zum Glück kann die heutige Dominanztheorie heute wissenschaftlich belegt werden. Kaniden betreffend definiert Dr. Roger Abrantes (portugisiescher Ethnologe und Biologe) Dominanz als „einen Trieb, der darauf ausgerichtet ist, Konkurrenz um Weibchen auszuschließen.“
Es stellt sich also die Frage, ob unser domestizierter Haushund dies im Sinn hat, wenn er auf seinen Besitzer und seine Familie blickt. Will der Hund wirklich seine Stellung im „Rudel“ verbessern? Liegt er nachts wach und schmiedet einen Komplott, um seine Menschen zu beherrschen? Oder plant der Hund gar das biologisch Unmögliche?
Erste positive Erziehungstipps
Casper von Poser schreibt in seinem Buch „Freude an Hunden“ aus dem Jahr 1991: „Doch tadeln Sie ihn nie, wenn er für ihr Gefühl zu langsam lernt, sondern loben sie ihn, wenn er etwas zum erstenmal richtig macht (Fein!, Brav!). Das ist dann für beide wie ein Fünfer mit Zusatzzahl. Denn auch der Hund merkt, dass der Familiensegen wieder gerade hängt.“ Dieses empfiehlt von Poser im Zusammenhang mit der Lektion Stubenreinheit. Er verweist nicht auf das Schütteln des Hundes am Nackenfell. Auf gar keinen Fall soll ein Würgehalsband verwendet werden soll, denn dies sei in gewisser Weise ein Marterinstrument. Interessant sind auch die recht guten Erziehungstipps:
- „Der Hund sollte in guter körperlicher Verfassung sein.
- Jeder Befehl sollte mit seinem Namen beginnen.
- „Die Länge der Lektionen sollte am Anfang nicht mehr wie 10 Minuten überschreiten.
- Machen Sie sich für die Erziehung des Hundes einen Stundenplan
- „Ihr Hund erwartet von Ihnen in der gleichen Situation den gleichen Befehl und die gleiche Verhaltensweise.
- Ihr Hund versteht nicht den Wortlaut ihrer Sprache, sondern den Tonfall. Deshalb muß Ihre Stimme beim Tadeln eine andere sein, als wenn sie ihn loben.“
In dem Buch wird auch über Rügen und Strafen gesprochen, z. B. wird dazu geraten, mit Körpereinsatz und Leinenruck zu arbeiten.
Dominanz-Unterordnungs-Stil
In seinem Buch „Wir Hunde“ (1991) führt Dr. Giorgio Andreoli die komplett veraltete Dominanztheorie aus. „Der Haushund überträgt die sozialen Beziehungen, die er naturgemäß zu seinen Artgenossen entwickeln würde, auf sein Menschenrudel.“ Das stimmt nicht. Hunde sind in der Lage, mit uns zu kommunizieren, aber sie sehen uns nicht als ihre Artgenenossen an. Dr. Andreoli weiter: „Es geht darum, ihm seine Grenzen aufzuzeigen, so wie es das Leittier gegenüber seinen Rudelgenossen tut. Vielmehr muß man dem Hund neben Strenge und Konsequenz ebenso Zuneigung und Lob zeigen. Anderenfalls zieht man sich einen verängstigten und unterwürfigen Hund heran. Am besten erzieht man einen Hund nach den Prinzipien der Dominanz und Unterordnung, die auch das Leben im Rudel regeln.“ Der Besitzer muß dem Hund zeigen, wo es langgeht. Der Autor ist auch der Auffassung, dass es bei den Rassen Pudel, Beagle und anderen Jagdhunden mit gutem folgsamen Charakter erst gar nicht zu Gehorsamsproblemen kommt und dass diese Rassen die Autorität des Herrn nie in Frage stellen (in dem Kapitel gibt es nur Fotos von Deutschen Schäferhunden). Dr. Andreoli ist promovierter Biologe und hat 1984 an einem Projekt zur Untersuchung der Ökologie und des Verhaltens von Wölfen und wildlebenden Hunden in Italien teilgenommen. Er ist der Meinung, dass der Hund mit Strenge und Konsequenz nach den Prinzipien der Dominanz und Unterordnung erzogen werden solle. Ansonsten werde sich das Verhältnis Hund/Halter als Mutter-Kind-Verhältnis widerspiegeln und der Hund würde niemals erwachsen werden. Den gleichen Effekt erhalte man durch zuviel Aufmerksamkeit und Fürsorge. Das ist interessant. Zumindest wusste Dr. Andreoli, wie man einen Hund richtig erzieht, nämlich mit einer Fürsorge wie bei einem Mutter-Kind-Verhältnis und sehr viel Aufmerksamkeit, Liebe und Respekt. Doch Dr. Andreoli propagiert den Dominanz-Unterordnungs-Stil.
In dem praxisnahen Buch „Hunde richtig erziehen“ (1994) von Dr. Bruce Fogle, Tierarzt aus England, wird von den geeigneten Maßnahmen (Gehorchen von Befehlen bis zur Korrektur schlechter Angewohnheiten) gesprochen. Auch hier wird wieder vom Rudelführer Mensch, Dominanz, Unterwürfigkeit und Rangordnung gesprochen und auf die Erziehung der Hunde „übertragen“. Im Kapitel „Wie Ihr Hund denkt“ schreibt Dr. Fogle etwas Wahres und Erfreuliches: „Nur wenige Hunde möchten Rudelchef sein. Die allermeisten fühlen sich sicher und geborgen, wenn ein anderer das Kommando übernimmt. Die frühe Gehorsamserziehung verstärkt dieses natürliche Verhalten und lehrt die Welpen, auf die Befehle des Menschen zu reagieren.“
Dr. Fogle ist eigentlich bekannt, dass Hunde nicht die „Herrschaft“ übernehmen wollen. Nur um dieses Wissen richtig umzusetzen, sind noch ein paar mehr Jahre nötig. Erfreulicherweise wird in diesem Buch über das Belohnungssystem gesprochen. Gutes Benehmen sollte man stets belohnen. Erstaunlich ist auch die Aussage, Hunde würden schnell lernen und bestimmte Wörter mit speziellen Reaktionen und Belohnungen assoziieren. Der Autor gibt gute Tipps, wie ein Hund belohnt werden kann. Er nennt Formen der Belohnung wie Leckerbissen, Körperkontakt oder Spielzeug. Zum Leid des Hundes zeigt Dr. Fogle auch Formen der Bestrafung auf, z. B. Einsatz einer Wasserpistole, Körpereinsatz und Leinenrucken. Er rät, auf aversive Mittel zurückzugreifen. Verhaltensauffälligkeiten wie Schwanzjagen werden mit Gegenmaßnahmen therapiert, anstatt der Ursache auf den Grund zu gehen. Hier wird klar, dass im Jahr 1994 offensichtlich noch nicht so viel oder gar nichts über Stereotypien wie z. B. Schwanzjagen und zwanghaftes Lecken der Pfoten oder Schilddrüsenunterfunktionen bekannt war. Stattdessen wurden Hunde, die o.g. Verhaltensauffälligkeiten zeigten, als schlecht erzogen dargestellt. Diese Stereotypien werden im Kapitel „Überregtheit“ erwähnt.
Tausche Strafe gegen Korrektur
Die Autoren Nicole Hoefs und Petra Führmann tauschen in ihrem Buch „Das Kosmos Erziehungsprogramm für Hunde“ von 1999 in dem Kapitel über Erziehungsmethoden und Hilfsmittel das Wort Strafe erst einmal durch das Wort Korrektur aus, weil sie es für angemessener halten. Schließlich geht es in der modernen Hundeerziehung darum, durch Korrektur eine Verhaltensänderung zu erreichen. Der Begriff Strafe stamme aus dem 19. Jahrhundert, so Hoefs und Führmann. Sie glauben, dass durch das Austauschen des Wortes Strafe mit dem Wort Korrektur ihre Erziehungstipps moderner wirken.
In dem Buch wird über Verstärkung im falschen Moment geschrieben. Hoefs und Führmann gehen davon aus, dass Zuwendung im falschen Moment zuverlässige Erziehungserfolge unmöglich macht. Außerdem sind sie der Auffassung, dass uns der Hund mit seinem Verhalten manipulieren kann.
Disk-Training und Sprühhalsbänder sind nur unter fachlicher Anleitung zu verwenden, führen sie aus. Leider wird in dem Buch viel zu viel von der Alpha-Dominanz-Geschichte auf die Hundeerziehung abgeleitet.
Der Aha-Effekt
1997 erschien zum ersten Mal „On Talking with dogs: Calming Signals“ (Ersterscheinung in Englisch in den USA) von Turid Rugaas und Terry Ryan. Es ist eines der schönsten und informativsten Bücher, die ich gelesen habe. Fast wie eine Revolution erscheint es, dieses Buch zu lesen. Da beschreibt Rugaas, was es bedeutet, wenn ein Hund den Kopf abwendet. Mancher Hundebesitzer denkt, dass der Hund ihn ärgern will, nicht hört und einfach wegguckt. Doch dabei handelt es sich um bestimmte körpersprachliche Signale, die sowohl für den Hund selber als auch für sein Gegenüber wichtig sind. Dieses Buch ist wie ein Aha-Effekt, ja genau, jetzt weiß ich warum mein Hund den Kopf abwendet, blinzelt oder sich die Nase leckt, um nur einige der Calming Signals zu nennen. Willkommen in der Welt der Beruhigungs- und Beschwichtigungssignale der Hunde! Hunde sind wahre Konfliktlöser durch Auslösen ihrer Signale. Turid Rugaas eröffnet eine ganz andere Sichtweise auf den Hund und dessen Verhalten in speziellen Hund-Hund- und Hund-Mensch-Begegnungen.
In seinem Buch „Dominanz, Tatsache oder fixe Idee“ aus dem Jahr 2000 räumt Barry Eaton augenzwinkernd mit der Theorie auf, dass der Hund nachts wach liegt und Pläne schmiedet, um die Herrschaft zu übernehmen. Eaten führt aus, dass das Gedankenmodell des dominanten Hundes leider die Grundlage vieler Erziehungsmethoden ist und dringend einer Überarbeitung bedarf. Wissenschaftlich fundiert werden die Mythen des dominaten Hundes widerlegt und für den Leser wird deutlich, dass ein Hund in Harmonie leben möchte und nicht „die Leiter aufsteigen“ möchte.
In „Die Hundegrundschule“ ein Sechs-Wochen-Lernprogramm von Patricia B. McConnell und Aimee M.Moore aus dem Jahr 2006 schreiben die Autoren, dass der Schlüsselfaktor für den richtigen Einsatz von positiver Bestärkung folgender ist: Ihr Hund definiert, was ihn bestärkt – nicht Sie. Ein kluges wissenschaftlich fundiertes Praxisbuch. Hier werden Woche für Woche Tipps gegeben, wie sie Ihren Hund perfekt nach der positiven Bestärkung erziehen. Sie enthalten fundierte Anleitungen bzw. Übungen, die genau erklärt werden. Außerdem erhält der Leser „Haus“aufgaben. Auch gibt es ein schönes Zitat zum Dominanz-Irrtum. „Wenn Hunde nicht das tun, was wir von ihnen verlangen, tun sie das sehr oft aus den gleichen Gründen wie wir selbst, wenn wir nicht die Erwartungen anderer erfüllen: Weil wir verwirrt sind, Angst haben oder motiviert sind, etwas anderes zu tun. Alle Beteiligten werden dann am glücklichsten sein, wenn Sie sich wie eine wohlwollende Führungsperson benehmen, wie ein guter Elternteil oder guter Lehrer und nicht wie ein autoritärer Diktator.“
Imke Niewöhner, Tierärztin und Hundetrainerin, hat im Jahr 2012 ein praxisnahes Acht-Wochen-Grundlagenprogramm für Welpenbesitzer mit dem Titel „Auf ins Leben – Grundschulplan für Welpen“ herausgegeben. Sie weist darauf hin, wie wichtig die Sozialisierungsphase für den frischgebackenen Welpenbesitzer ist. Bis zur 12. Woche dauert die Phase, jedoch ist eine Sozialisation auf unbelebte Dinge (Straßensituationen, flatternde Planen etc.) und mit anderen Tierarten auch noch bis etwa zur 16./18. Woche möglich. Niewöhner stellt die Unterschiede zum Neutralen Lernen (Gewöhnung) und Positiven Lernen in ihrem Buch sehr gut grafisch dar. Sie gibt gute und nachvollziehbare praktische und theoretische Ratschläge, wie wir den Hund dazu bekommen, dass es sich für ihn lohnt, zu uns zu kommen und nicht mit anderen Hunden zu spielen.
Fazit einer sich ständig ändernden Hundeerziehung
In den letzten dreißig Jahren wurden viele Hundeerziehungsbücher von den unterschiedlichsten Autoren geschrieben. Damals gab es noch nicht so viele Weiterbildungs- und Bildungsmöglichkeiten wie heute, z. B. das Tiermedizinstudium mit der Zusatzbezeichnung „Verhaltenstherapie“, die Fernstudiengänge bei der ATN in der Schweiz, das Studium zum Hundepsychologen, die Ausbildung zum Hundetrainer. Heute ist eine Sintflut von Büchern und Lern-DVDs über die Erziehung des Hundes auf dem Markt. In Facebook gibt es unzählige Gruppen, in denen „hilfebedürftige Hundebesitzer“ über die richtige Erziehungsmethode aufgeklärt werden. Zumindest sind sich die, die nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen mit Hunden arbeiten, einig, dass positive Verstärkung die fairste Möglichkeit ist, mit einem Hund zu arbeiten. Wir müssen nicht den Chef raushängen lassen, um mit unserem Hund harmonisch leben zu können. Nein, statttdessen wird er von uns beschützt – wenn es sein muss. Unser Hund ist des Menschen bester Freund, denken wir. Er begleitet uns seit Zehntausenden von Jahren. Trotzdem verstehen Menschen die Hunde nicht bzw. ihnen fehlen grundlegende Kenntnisse, um den Bedürfnissen ihres Hundes gerecht zu werden. Unser Hund möchte Teil unserer Familie sein und auch so behandelt werden. Behandeln Sie ihren Hund immer so wie Sie auch behandelt werden möchten. Ein Hund ist kein Alphatier oder dominant (dominantes Verhalten ist immer zeit- und situationsabhängig und nicht permanent), er möchte nicht die „Leiter aufsteigen“, sondern er sehnt sich nach Harmonie und vermeidet Stress. Denn eines ist klar: Ein Hund will nicht die Weltherrschaft übernehmen und plant nicht das biologisch Unmögliche. Das haben zum Glück immer mehr professionell arbeitende Hundepsychologen und –trainer in der heutigen Hundeerziehung erkannt.
Bettina Küster
Hundepsychologin nTR
Februar 2013
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